Rennbericht
zum Loser Bergzeitfahren 27.09.2025
„Der mentale
Kampf gegen den Körper“
Vorbereitung
Wer kennt das nicht?
Man arbeitet Vollzeit, hat private Verpflichtungen und was sonst noch alles
dazukommt und versucht nebenbei noch sein Hobby/seine Leidenschaft
unterzubringen. Ich hatte seit März keinen Urlaub und hatte es trotzdem
geschafft, fast jede Woche ca. 15 Stunden auf dem Rad zu sitzen. Das kommt
natürlich zu seinem Preis: Auf meiner Baustelle zu Hause (Kernsanierung/Umbau)
war dieses Jahr nicht so viel passiert, wie ich und meine Frau Steffi es
geplant hatten. Die Zeit zu Zweit litt leider auch darunter. Umso stärker
sehnten wir beide meinen Urlaub ab 18.9. herbei. Sicherlich würde ich jetzt
Zeit zum Radfahren, Baustellen arbeiten UND Pärchenzeit haben, oder?
Tja… so wenig wie die
Woche vor dem Loser Bergzeitfahren bin ich seit Ewigkeiten nicht mehr gefahren.
Mein Kopf war wo anders… Baustelle. Ich hatte mich eigentlich seit Monaten
schon auf dieses Rennen gefreut, da ich weiß, dass mir die Strecke liegt, aber
am Tag vor dem Rennen dachte ich mir, dass der Zeitpunkt eigentlich gar nicht
so passt und meine Rennsaison im Kopf schon abgeschlossen war. Die Form war
natürlich in dieser Woche nicht verschwunden (so schnell geht das dann zum
Glück doch nicht). Im Gegenteil: Die Woche zuvor hatte ich im Training meine
Bestleistung über 30 Minuten erzielt.
Die Beine waren also am richtigen Ort, aber würde es mein Kopf auch sein?
Ich merke gerade, ich
suche seit der ersten Zeile bereits nach Ausreden, wie ein echter Profi…
Hier ist noch eine:
Ich hatte in den letzten Wochen und Monaten einige Defekte am Rad (viele –
schleichtende – Patschen, die nervige Geschichte mit dem defekten DI2 -
Ladegerät und sogar einen Nabenbruch bei einem nagelneuen Vorderrad). Ich
freute mich deswegen so richtig aufs Winter - Indoor-Training, da gibt’s weder
Pannen (außer die Technik spinnt), schlechte Straßen, Sturzgefahr (außer man
fällt vor Erschöpfung vom Trainer) noch schlechtes Wetter oder rücksichtslose
Verkehrsteilnehmer. Die Motivation fürs draußen Fahren war also auch so gering
wie schon ewig nicht mehr.
So, jetzt ist aber
genug mit dem „Gesudere“.
Am Vortag sagte Steffi, dass sie mich nach Altaussee begleiten würde zum
Anfeuern. Darüber freute ich mich sehr! Sie war erst vor kurzem (geplant) operiert
worden, es ging ihr aber – zum Glück – schon wieder so gut, dass sie jetzt doch
mitkommen konnte (und wollte). Ich durchforstete am Vorabend noch kurz Daten
auf Strava, um zu sehen, was die Bestzeit auf die Loser Panoramastraße war.
Nach meinen Berechnungen hatte der Vorjahressieger in etwa 5,5w/kg für 27:18min
gehalten. Das war ein Bisschen mehr als ich die Vorwoche für 32min gehalten
hatte. Klang also schwer, aber eventuell machbar. Ich hatte ja dieses Jahr alle
3 Bergrennen, in denen ich gestartet war gewonnen, ein Sieg am Loser wäre da
natürlich der krönende Saisonabschluss! Ich wusste aber auch, dass dieses
Bergrennen mit Sicherheit die stärkste Konkurrenz haben würde.
Ich kannte die Loser
Panoramastraße mit ca. 8km Länge und ca. 730hm von einer Trainingsfahrt schon
ganz gut. Traumhaftes Bergpanorama, bei gutem Wetter mit einzigartigem Blick
auf den Dachstein! Die Straße selbst schlängelt sich mit recht regelmäßiger
Steigung den Loser hinauf. Die Mittelstation der Seilbahn hatte ich mir als ca.
¾ der Strecke gemerkt (In meinem Kopf war sie also die Dreiviertelstation).
Das Wetter in
Altaussee war, nicht wie die sehr kalten, windigen Tage davor bei uns in Traun
perfekt! Sonne und wenig Wind, nicht zu warm. Hier finde ich also keine Ausreden!
Ach ja:
Vorbereitung des Rads:
alles runter, was Gewicht hat und nicht essentiell ist. Einen
Flaschenhalter mit wenigen Schlucken Kohlenhydrat Getränk gönnte ich mir dieses
Mal.
Vorbereitung des Körpers:
am Vortag eine zwei stündige Indoor-Einheit teils ohne Ventilator, zum
überschüssige Flüssigkeit loswerden (Achtung: nicht übertreiben!) und nix
schweres mehr Essen!
am Renntag: nur Kohlenhydrate essen, kurzes 20-minütiges Einfahren.
Rennadrenalin war auch da. Ich war bereit.
Zielsetzung
Mein Ziel ist es
eigentlich nie, zu gewinnen. Ich will einfach nur meine Leistung abrufen. Alles
andere kann ich sowieso nicht beeinflussen. Schon gar nicht beim Zeitfahren, da
gibt es auch kaum Renntaktik, außer möglichst konstant treten und nicht zu
euphorisch loslegen. Es gibt doch noch einige, die selbst in meiner
„Paradedisziplin“ Bergaufradeln besser sind als ich. Also war das Zie: 350-360
Watt konstant über die gesamte Distanz zu halten. Kleine Ausreißer nach oben
sind in besonders steilen Abschnitten erlaubt. Kleine Ausreisser nach unten darf
es wenn überhaupt nur in flacheren Abschnitten geben, am Schluss darf es auch
gerne mehr sein und muss man natürlich völlig ausgelaugt und ums Leben
schnaufend ankommen – eh logisch!
Das Rennen
Am Start war es
irgendwie seltsam… Ich hatte meine Startzeit auf die Sekunde genau gesagt
bekommen. Nun Stand ich da und es war eigentlich ein komplettes Durcheinander.
Man konnte quasi starten, wann man wollte. Alle 10 Sekunden durfte jemand los
und die Zeit wurde mit Tracker gemessen. Fand ich ein Bisschen schräg, aber war
mir dann egal.
Ich startete. Steffi
war da und feuerte mich an. Ich sagte selbstbewusst: „Wir sehen uns oben!“ und
ab dann gab es nur noch Treten nach Zahlen. Ich kenne meinen Körper
mittlerweile diesbezüglich sehr gut: Man darf sich wirklich nie verleiten
lassen, 10-20 Watt mehr zu treten „weil es heute so gut geht“. Die ersten 5
Minuten geht es einem immer super. Adrenalin ist in dieser Hinsicht ein Hund!
Nach 15 Minuten bekommt man dann die Rechnung präsentiert, glaubt mir!
Wie erwartet überholte
ich viele andere. Ich versuchte, mich - möglichst ohne dabei extra Distanz
zurückzulegen - an ihnen vorbeizuschlängeln, was eigentlich das ganze Rennen
über gut gelang. Mein Plan ging die ersten 15 Minuten sehr gut auf, dann kam
die Phase, wo es langsam aber sicher weh tat. Oder besser gesagt, dein Körper
schreit eigentlich „Hör jetzt auf, ich kann nicht mehr!“ Dann kommt der Kopf
ins Spiel und da ist es wichtig, dass man voll fokussiert ist. Schweifen die
Gedanken ab, stehen plötzlich 30 Watt weniger da! Ich ertappte mich dabei, dass
ich kurz an die Baustelle dachte. Diesen durchaus gefinkelten Angriff meines
Körpers, mich zum langsamer-werden zu bringen, konnte ich zum Glück parieren
und trat mit ca. 350 Watt weiter Richtung Dreiviertelstation. Jetzt merkte ich
die Höhenlage, ich schnaufte wie eine Dampflok und versuchte irgendwie, die
Leistung zu halten. Es war richtig hart! In meinem Kopf dachte ich: „Du wirst
doch nicht nach 20 Minuten einbrechen, dann waren die Strapazen ja völlig
umsonst!“ Dann kam ein weiterer erschwerender Faktor hinzu: die wunderschöne
Aussicht. Noch eine gemeine Attacke meines Körpers, die ich abwehren musste.
Ich zwang mich dazu, nur auf die Straße und meinen Radcomputer zu starren
(„Aussicht genießen wir später!“ - mit „wir“ meine ich natürlich meine
multiplen Persönlichkeiten!). Ich konnte kurz darauf das Ziel sehen, dann lagen
noch etwa 3 von 14 Kehren vor mir und ich versuchte wirklich, alles
herauszuholen. Ich hechtete also dem Ziel entgegen. Nur… Wo musste ich hin?
Einer vor mir fuhr gerade aus, einer nach rechts? Ich bekam kurz Panik und rief
völlig außer Atem: „wo muss ich hin? Rechts oder Links?“ Ich konnte das kleine
Zelt rechts erst sehr spät sehen, hatte mich aber zum Glück richtig entschieden
und erreichte das Ziel.
Ich lenkte mein Rad
zittrig und nach Luft ringend in den Schatten und versuchte, mein Leben
irgendwie wieder in den Griff zu bekommen. Ich hatte also alles richtig
gemacht! Meine Ziele hatte ich erreicht, Genau 350 Watt durchschnittliche
Leistung (je besser man den Körper kennt, desto weniger kann man sich selbst
überraschen) und ums Leben schaufend ankommen. Meine Zeit am Radcomputer war
ungefähr 28:30. Ich wusste, dass das über eine Minute langsamer war als der
Sieger letztes Jahr, somit war der Sieg sicherlich außer Reichweite, oder?
Obwohl, der Wind wehte leicht nach Westen, das heißt etwa ¾ der Strecke war gegen
den Wind. Meine Platzierung wurde nicht durchgesagt (oder ich hab sie überhört,
kann auch sein, war mit etwas Wichtigerem beschäftigt).
Ich war auf jeden Fall
schneller als eine Person: Steffi war noch nicht da. Ungefähr 2 Minuten nach
meiner Zielankunft kam sie erst mit der Seilbahn an, war eigentlich eh der
perfekte Zeitpunkt, weil da konnte ich zumindest schon wieder reden.
Nach dem
Rennen
Wir setzten uns im
Bergrestaurant nieder und suchten online nach den Live-Ergebnissen. Ich war zu
diesem Zeitpunkt an 3. Stelle, über eine Minute hinter dem Führenden. Ich
wusste aber, dass viele starke, darunter der Vorjahressieger noch kommen
würden. Ich war trotzdem zufrieden: Pacing war gut, Kopf war bis auf zwei
kleine Aussetzer gut. Performance in der Höhenlage war weniger gut, aber woher
denn auch?
Endergebnis: 5. Platz,
3. in meiner Altersklasse.
Daten: 350w/64kg =
5,47w/kg für 28:23min ( +1:10min auf die Siegerzeit)
Hunger hatte ich
wieder keinen, ich musste mich oben wieder zum Essen zwingen! Der Hunger kam
erst während der Heimfahrt, woraufhin wir uns prompt einen Zwischenstopp beim
Mäcci gönnten.
Danke an Steffi fürs
Unterstützen! Danke fürs Lesen!
Thomas