Das
Dachsteinblick-Bergzeitfahren 2025 in Nußdorf am Attersee war mein erstes
echtes Einzelzeitfahren.
Vorbereitung
Ich kannte die
Strecke nur vom Papier (oder besser gesagt von Strava). Mein Motto vor jedem
Rennen ist: „Wenn ich dabei bin, dann voll und ganz“, also war ich schon zwei
Stunden vor dem ersten Starter im nieselverregneten (aber trotzdem schönen)
Nußdorf am Attersee, um die Strecke einmal abzufahren. Das gab mir vor allem
Sicherheit. Es ist nie ein Nachteil zu wissen, welche Steigung wann kommt, wo man
gas geben und zurücknehmen kann (wobei man bei der kurzen Streckenlänge von
rund 4km und 270hm eh fast immer Vollgas geben muss).
Zum Glück habe
ich ein Wetterfenster erwischt, bei dem ich nicht völlig durchnässt wieder
zurück zum Auto kam, wo ich dann mein Rad vorbereitete. Das heißt bei einem
Bergrennen alles runter und raus aus den Trikottaschen was unnötiges Gewicht
hat:
·
Flaschenhalter
- keine Kapazitäten zum Trinken, da man mit nach Luft ringen beschäftigt ist
·
Luftpumpe
und Pannenzeug - Bei einem Patschen ist das Rennen sowieso gelaufen, also erst
gar nicht mitnehmen
·
Front
und Rücklicht - Hoffentlich überholt einen eh keiner
·
Klingel
- ja ich habe tatsächlich eine - weg damit, zur Not rufen
·
vorher
aufs Klo gehen!
Obwohl es oben im
Zielbereich einen Parkplatz gab entschied ich, das Auto unten stehen zu lassen,
damit ich, falls es nicht fürs Podest reicht, früher heimfahren könnte.
Außerdem würde ich bei der Abfahrt vor meinem Start von dem Wasser auf der
Straße nass werden und auskühlen. Ich ging sogar so weit, dass ich Geldtasche,
Schlüsselbund und Handy im Auto ließ. Mein Cervelo S5 war also so leicht wie es
nur irgendwie ging und ich auch, in meinen Trikottaschen waren lediglich der
Autoschlüssel, ein Geldschein und meine - zum Glück sehr leichte – Regenhaut
(50g extra Renngewicht, dafür verkühlt man sich nach dem Rennen nicht).
Außerdem hatte ich zwei Tage vorher begonnen, weniger zu Essen, um mein
Renngewicht zu erreichen. Ich war nämlich am Mittwoch zwei Kilogramm schwerer
als erhofft. Am Donnerstag, dem Tag vor dem Rennen aß ich nur leichte
Kohlenhydrate und am Renntag selbst hatte ich wegen einer gewissen Anspannung
sowieso wenig Appetit. Tatsächlich konnte ich die zwei Kilo dadurch verlieren,
ohne mich dabei energielos zu fühlen.
Ich weiß, was
sich alle, die bis hierher gelesen haben jetzt denken:
Warum tut man
sich das alles an? Das bringt doch alles kaum etwas! Es ist ja nur ein
Hobby-Rennen! etc…
Um die Antwort
zu erfahren, bitte weiterlesen!
Das war
übrigens noch nicht alles an Kleinigkeiten. Ich sah, das andere
Teilnehmer*Innen die Startnummer aerodynamisch optimierter angebracht hatten
als ich. Ich nahm also ein Isolierband und klebte den Papierfetzen etwas nach
hinten, um den Luftwiderstand zumindest ein bisschen zu reduzieren.
All diese
Kleinigkeiten mögen lächerlich erscheinen, wenn man sie aber alle addiert,
machen sie definitiv einen Unterschied! Und selbst wenn es nur für die Psyche
ist, bringt es einem etwas.
Ich blieb den
Rest der Zeit im Auto, um warm und trocken zu bleiben. Ungefähr 20 Minuten vor
meiner Startzeit um 18:50 (Startnummer 50) quetschte ich mir dann ein
Energiegel hinein, fuhr zum Aufwärmen einen kleinen benachbarten Hügel hinauf
und entleerte mich noch einmal (jedes Gramm - und jedes Tröpferl – zählt 😊 ).
Auf dem weg zum
Start sah ich plötzlich einen Burschen im selben Vereinstrikot wie ich. Es war
Julian Schiemer, wir kannten uns bisher noch gar nicht persönlich. Wir
unterhielten uns nur kurz, ich war ja gleich an der Reihe.
Rennverlauf
Was gibt es zu
meiner Fahrt groß zu sagen? Nicht viel… Ich war komplett im Tunnel. Der Fokus
galt anfangs nur meinen Wattzahlen und den Hinterrädern der StarterInnen vor
mir, von den ich einige ein- und überholte. Im Bergrennen auf die Hutterer Höss
habe ich gelernt, anfangs nicht nach Gefühl, sondern nach Leistung zu fahren.
Offenbar trete ich unter erhöhtem Adrenalinspiegel gerne etwas zu euphorisch in
die Pedale, was ich dann später bereue. Der Puls ist bei mir in der
Rennsituation sowieso immer irgendwo jenseits von gut und böse, den ignorierte
ich also. Ab der letzten engeren Rechtskurve gab es keine Wattzahlen mehr, da
gab es nur noch Treten und Schnaufen (siehe Bild). Am letzten steileren Stück
war noch jemand vor mir, den ich unbedingt einholen wollte. Das gab mir nochmal
extra Motivation für den Zielsprint. Mit meiner zweithöchsten jemals beim
Radfahren gemessenen Pulsfrequenz (trotz den kühlen Bedingungen) bretterte ich
über den Zielstrich und fuhr vor lauter Laktat im Blut kurz danach fast
jemanden über den Haufen.
Das Warten
Nachdem ich
wieder klar denken konnte, erfuhr ich meine Zeit: 10:30. Ich wusste, dass der
Sieger Rene Pammer aus dem Vorjahr unter 10 Minuten gefahren war. Trotzdem war
ich zufrieden, der ist sowieso mehrere Klassen besser als ich.
Ich wartete nun
gespannt gemeinsam mit der schnellsten Dame am Leader-Chair die restlichen 43
Starter*Innen ab. Dabei war ich fasziniert von den Burschen, die mindestens
10kg mehr auf die Waage brachten und trotzdem nicht viel langsamer waren als
ich.
Mit Startnummer
83 kam Tobias Stadler ins Ziel, seinen Namen hatte ich von der Höss in
Erinnerung. Seine Zeit 10:31! Eine einzige Sekunde hatte ihm gefehlt. Gerade
jetzt war ich froh über meine akribische Vorbereitung. Ich hätte wohl kaum
schneller sein können, da ich mich voll verausgabt hatte. Wenn ich auch nur
eine der oben beschriebenen Maßnahmen ausgelassen hätte, wäre ich wohl Zweiter
gewesen.
Die Fahrt
zum Auto
Ich musste
direkt nach der Siegerehrung mit zwei großen Holztrophäen im Trikot in der
Dämmerung bei nasser Fahrbahn runter zum Auto fahren. Licht hatte ich ja
abmontiert. Egal, alles gut gegangen! Ich hatte nicht mit dem Sieg gerechnet.
Thomas
Kronsteiner
Daten
·
Zeit:
10:30
·
Ø
Leistung: 390W bei ca. 65kg
·
Ø
Geschwindigkeit: ca. 23,5km/h, maximal 38+km/h